Weihnachtsrundbrief 2008
Gottesdienst in Lipez. Dazu zu Fuss und mit Gitarre durch die Anden
Liebe Missionsfreunde
Seid herzlich aus den Schluchten zwischen Tupiza und Villazón gegrüßt, in der Hoffnung, daß ihr alle soweit wohlauf seid.
Mit drei jungen Männern, zwei aus meiner ehemaligen Pfarrei Llica, der dritte Esmoraceño, denen die schwereren Rucksäcke anvertraut waren, marschierten wir insgesamt 14 Stunden zwischen 3.000 m und 4.500 m Höhe. Neben vielen glücklichen Gesichtern über den Besuch des Padres entschädigte uns auch eine herrliche Berglandschaft für die Mühen. Kondore, Adler und Chulpas, Ruinen kleiner Wohnsiedlungen teils aus der Zeit vor Christus, begleiteten uns auf dem Weg.
Am 1. Advent werden wir nach vielen Jahren in Esmoraca wieder ’mal „geordnet“ ERSTKOMMUNION und FIRMUNG feiern. An die 60 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene freuen sich auf diesen Tag. Am Christkönigssonntag mußte aber erst einmal ein Drittel der Erstkommunikanten und Firmlinge getauft werden. Da keiner der beiden Bischöfe wegen ihrer Ad Limina-Besuche in Rom zum 1. Advent nach Esmoraca kommen kann, wurde ich offiziell mit der Firmung betraut. Und damit der Gottesdienst feierlich wird, habe ich zwei Priesterfreunde zum Fest eingeladen, den P. Casimiro aus Tupiza und den P. Martiriam vom Salar. P. Casimiro, ein Redemptorist aus Polen, hat viele Jahre in unserer Zone gewirkt und ist so mehr als bekannt.
Ausflug des Erstkommunion Kurses. Hier wird Mittag gemacht
Auch in unseren Höhen gehört zur Erstkommunion und Firmung eben ein Ausflug dazu. Diesen unternahmen wir zum 14 km entfernten Gehöft Bella Vista, was direkt an der argentinischen Grenze liegt. Mangels Fahrzeuge packten wir in den Pfarrtoyota 23 Jugendliche; dazu hat man ja auch einen Dachgepäckträger. Zum Mittagessen gab’s nach Landessitte Llamafleisch, was zudem sehr cholesterinarm ist. Und als wir am Abend alle wieder gesund in Esmoraca zurück waren, war ich dem Pfarrpatron St. Franziskus sehr zu Dank verpflichtet. Da bei uns ja fast alles improvisiert werden muß, vertraue ich immer mehr auf die gütige Fürsprache der Heiligen.
Erstkommunion und Firmungkurs Ausflug an die Grenze zu Argentinien
Eine weitere Erstkommunionfeier findet etwas später in Casa Grande statt, ebenfalls direkt an der argentinischen Grenze gelegen. Der Katechet und ein Lehrer bereiten die Jugendlichen dort vor. Nach Casa Grande fahre ich an die 20 km den Fluß „Juan de Oro“ rauf, der in der Regenzeit über ein Meter Wasser führt.
Vor Weihnachten fungiere ich dann noch als „Padrino“ zweier Abitursklassen, der von Esmoraca und einer von Chipihuayco in der Nachbarpfarrei Talina. Bis zum Lebensende werden mich die „Patenkinder“ dann Padrino nennen. Padrino zu sein drückt in unseren Höhen zum einen die Wertschätzung der Leute aus, zum anderen muß man natürlich auch ’was „Springen“ lassen.
Das Pfarrhaus von Esmoraca zählt derzeit 4 Bewohner, d.h., es geht auch dort recht lebendig her. Neben mir ist noch Noel, der Katechet aus Llica, mit von der Partie sowie zwei junge Männer, ebenfalls Lliqueños. Wie lange das gut geht, werden wir sehen.
Gaudi muss sein … auch in Bolivien
Zusammen mit Noel, der Mädchen für alles in der Pfarrei ist, sind die Jungs aus Llica meine Bauarbeiter. Abends wirken sie als Sprecher und Moderatere beim von der Pfarrjugend betriebenen FM-Radio „San Francisco“, was im Umkreis von 30 km zu hören ist.. Für die Adventszeit bis Weihnachten wurden mir noch zwei in Cochabamba studierende Seminaristen zugesagt. Diese werden in Talina eingesetzt und dort Weihnachten vorbereiten.
Im Pfarrhof von Esmoraca sind wir dabei, Klos und Duschen für Gäste, bzw. Katechetentreffs zu bauen. Auch hat’s Pfarrauto neue Reifen bekommen im Blick auf die bald einsetzende Regenzeit. Das zu den einigen „weltlichen“ Aktivitäten, die aber die Basis fürs Geistliche darstellen.
Auch wenn wir „am Ende der Welt“ leben, muss es beim Ausflug der Kommunionkinder und Firmlinge zünftig zugehen
Die von mir mitverwaltete Nachbarpfarrei Talina hat inzwischen wieder zur Normalität zurückgefunden, d.h., ich kann als Pfarradministrator meine Funktionen jetzt ungehindert ausüben. Nachdem die Kunstgegenstände im dortigen „Pfarrhaus-Museum“, im letzten Rundbrief hatte ich davon berichtet, von fachkundigen Mitarbeitern des bischöflichen Amtes in Potosí fotografiert und registriert worden waren, werden wir vor Weihnachten noch eine Alarmanlage installieren, die zur Hälfte von in Argentinien lebenden Talineños sowie mir finanziert wurde. Und damit schlafe ich dann noch ruhiger.
Die Regenzeit steht bei uns vor der Türe, was das Autofahren dann sehr erschweren, bzw. oft unmöglich machen wird. Leute vom Ort haben mir dazu schon schaurige Stories von reisenden Flußläufen und im Schlamm stecken gebliebenen Autos erzählt. Ich werd’s ja bald am eigenen Leibe erfahren. Entsprechend der Jahreszeit, wir stehen bald im Sommer, ist es auch im 3.520 m hohe gelegenen Esmoraca warm geworden. Tagsüber klettert das Thermometer in meinem Arbeitszimmer bis auf 27 Grad, allerdings eine angenehm trockene Wärme.
Messfeier in Cienega Lipez
Meine ehemalige Pfarrei Llica/Tahua hat im P. Jorge einen für sie mitzuständigen neuen Priester bekommen. Jorge ist auch Vikar von Uyuni. Bis Ende des Jahres hat sein Chef, der Pfarrer von Uyuni, das Pfarrhaus von Llica aber an einen Dozenten der Normal vermietet, ums Geld für Strom und Wasser reinzubekommen. Nun, mich geht es nichts mehr an.
An dieser Stelle wiederum ein HERZLICHES VERGELT’S GOTT an alle, die meine Missionsarbeit auch mit einem materiellen Scherflein unterstützen. Gerade jetzt in der Aufbauphase der Pfarrei von Esmoraca freue ich mich besonders darüber. Für den fälligen Neubau der Pfarrkirche versuche ich auch über Adveniat einen Zuschuß zu erhalten.
Zum noch Schluß einen Blick in die „Politik“. Derzeit ist’s im Ländle verhältnismäßig ruhig. Die regionale Opposition der „Media Luna“, also der Departamentos im Tiefland Boliviens wie Santa Cruz, Beni, Tarija und Pando, im letzteren wurde vor kurzem erst der Ausnahmezustand beendet, verloren an Einfluß. Die globale Finanzmarkt-, bzw. Wirtschaftskrise hat zu vielen Entlassungen im Bergbau geführt. Ende Januar 2009 wird über eine neue Verfassung für Bolivien abgestimmt, die hauptsächlich die Handschrift der Regierungspartei MAS, also „Bewegung zum Sozialismus“ trägt. In ihr wird die Religionsfreiheit garantiert, aber bisherige Privilegien der katholischen Kirche, die nach der bisherig gültigen Verfassung „Staatsreligion“ ist, abgeschafft. Das derzeit teils angespannte Verhältnis von Kirche und Staat wird sich im Laufe der Jahre eben neu gestalten müssen. Auf unteren Ebenen merkt man keine große Abkühlung im Verhältnis von Pfarrei und örtlichen Autoritäten. Auf mittlerer, bzw. Regierungsebene ist katholische Kirche hingegen kaum noch gefragt. Negative Schlagzeilen mit recht dümmlichen Attacken auf Papst und Kirche macht derzeit der Präfekt von Cochabamba, ein ehemaliger Jesuit. Apropos „Sozialismus a la Bolivia“; dieser, etwas einfach und humorvoll gesagt, ist wie unsere Campesinos katholisch sind: von allem ein bißchen, also sehr synkretistisch, derzeit zumindest nicht so radikal wie der Sozialismus im damaligen Ostblock war, der teils in Kuba noch praktiziert wird. Die Latinos verstehen’s zudem, für uns „Gringos“ Gegensätzliches auf einen Nenner zu bringen.
Im Herbst 2009 habe ich vor, wieder einmal die Heimat zu besuchen, doch bis verbleibt noch etwas Zeit. Euch allen wünsche ich noch besinnliche Tage im Advent, dem dann ein FROHES WEIHNACHTSFEST folgen möge, und ein GESEGNETES NEUES JAHR 2009, vor allem bei guter Gesundheit.
„Con saludos cordiales“ und in Dankbarkeit
Padre Dietmar Krämer